Wasserstoff als Kraftstoff für Fahrzeugantriebe

Wasserstoff als Kraftstoff für Fahrzeugantriebe

von: Sven Geitmann

Diplomica Verlag GmbH, 2015

ISBN: 9783959341349

Sprache: Deutsch

114 Seiten, Download: 1426 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Wasserstoff als Kraftstoff für Fahrzeugantriebe



Textprobe: Kapitel 6.1.1, Motorentechnik: Betrachtet man den geschichtlichen Verlauf der Technikentwicklung von Wasserstoff - von der Namensgebung durch Lavoisier bis hin zu heutigen Wasserstoffflugzeugen oder Brennstoffzellenautos - wird deutlich, daß die Idee von einer auf Wasserstoff basierenden Energieversorgung bereits über hundert Jahre alt ist (s. Kap. 3 Geschichte). Bis heute gibt es diverse Projekte, bei denen Wasserstoff in Autos (Pkw und Lkw), Bussen und Flugzeugen eingesetzt wird. In den USA befindet sich ein Brennstoffzellenantrieb für Lokomotiven in der Entwicklung. Auch die Nutzung in Schiffen ist vorstellbar. Für Fahrzeugantriebe mit Wasserstoff kommen grundsätzlich zwei Konzepte in Frage: der Verbrennungsmotor und die Brennstoffzelle. Verbrennungsmotor: Der Betrieb eines herkömmlichen Hubkolbenmotors ist durchaus mit Wasserstoff möglich, und diese Technik wird bereits angewandt. Anhand der unten erwähnten Vor- und Nachteile sollen im folgenden die dabei auftretenden Schwierigkeiten sowie mögliche Abhilfen aufgezeigt werden. Vorteile: V-1: Umweltverträglichkeit. V-2: Extreme Abmagerungsfähigkeit eines Wasserstoff/Luft-Gemisches bedeutet geringerer Kraftstoffverbrauch. Nachteile: N-1: Unregelmäßige Verbrennungsabläufe durch: N-1.1: Rückzündung in der Ansaugphase. N-1.2: Glühzündung in der Kompressionsphase. N-1.3: klopfende Verbrennung. N-1.4: Wasser-Anlagerungen an der Zündkerze beim Kaltstart. N-2: Geringe Leistungsdichte infolge von Liefergradverlusten. N-3: Schlechte Schmiereigenschaften von Wasserstoff. N-4: Hoher Aufwand für Flüssigwasserstoff-Förderpumpe und die Einspritzelemente. V-1: Auf die gute Öko-Bilanz, den ersten und wichtigsten Vorteil von wasserstoffbetriebenen Verbrennungskraftmaschinen, wurde bereits in Kapitel 4 eingegangen. Nochmals erwähnt sei, daß die Wasserstoffverbrennung ohne die Erzeugung von CO2 geschieht, was kein anderer Kraftstoff kann. Es fallen lediglich Stickoxidemissionen an. Die noch zu lösende Aufgabe ist der Konflikt zwischen hoher Leistungsdichte und Vermeidung von Stickoxidemissionen. Um der Forderung nach günstigem Kraftstoffverbrauch bei gleichzeitig niedriger Stickoxidemission nachkommen zu können, ist es notwendig, daß im unteren Teillastbereich der Motor mit einer konstanten Luftzahl von ? = 3,0 und zur Vollast hin mit variablem ?, entsprechend der angeforderten Leistung, betrieben wird. V-2: Die 'extreme Abmagerungsfähigkeit' eines Gemisches bedeutet, daß ein Motor nach dem Magerkonzept ausgelegt ist. Dies ist der Fall, wenn die Luftzahl ? > 1,5 ist, was einem Kraftstoff-Luft-Äquivalenzverhältnis von ? < 0,66 entspricht [Peschka, 1997]. In Worten bedeutet dies: Ein Gemisch ist mager, wenn das Verhältnis von Kraftstoff zu Luft relativ klein ist. Wenn relativ wenig Treibstoff pro Volumeneinheit Gemisch notwendig ist, dann ist auch der Kraftstoffverbrauch gering. N-1: Die bei den Nachteilen angesprochenen Unregelmäßigkeiten bei den Verbrennungsabläufen haben folgende Ursachen: N-1.1: Während der Ansaugphase strömt das Kraftstoffgemisch bei geöffneten Einlaßventilen in die Brennkammer, in der sich zum Teil noch heißes Restgas befindet. Bevor nun der Ansaugvorgang beendet ist, kann es zu einer Entzündung des bis dahin in den Brennraum geströmten Gases kommen, was dann zu einer Rückzündung führt, da die Einlaßventile noch geöffnet sind. Eine Wassereinspritzung kann diese Rückzündungsneigung des Motors verringern und außerdem die Stickoxidbildung reduzieren sowie eine klopfende Verbrennung vermeiden. Im unteren Teillastbereich kann die Einspritzung entfallen, da hier dieses Problem nicht auftritt. N-1.2: Die Zündenergie von Wasserstoff beträgt nur etwa 1/10 derjenigen von herkömmlichen Kraftstoffen aus Kohlenwasserstoffen. Dies hat zur Folge, daß heiße Stellen, heißes Restgas oder Ölkohlepartikel im Brennraum das Wasserstoff/Luftgemische entzünden können. Für einen selbstzündfreien Betrieb müssen deshalb heiße Stellen im Brennraum beseitigt bzw. die Zündenergie des Gemisches angehoben werden, da der Motor ansonsten nur in einem sehr kleinen Drehzahlbereich problemlos zu betreiben ist. Heiße Stellen in der Brennkammer können zum Teil durch geeignete konstruktive Maßnahmen reduziert werden. Dafür muß eine gute Wärmeableitung gewährleistet sein, d.h. die Kühlung über Kühlrippen bzw. Kühlwasserkanäle muß gut durchdacht sein und es müssen entweder gut wärmeleitende Materialien oder Materialien mit geringer Wärmekapazität gewählt werden. Außerdem müssen bei der Brennraumgestaltung in die Brennkammer hineinragende Spitzen und Kanten vermieden werden, weil diese aufgrund der schlechten Möglichkeiten zur Wärmeableitung besonders heiß werden und quasi als zusätzliche Zündkerze fungieren würden. In der Praxis wird so vorgegangen, daß der Zylinderkopfbereich eine verstärkte Kühlung erhält. Dies wird nach Änderungen in den Kühlwasserführungen durch eine bessere Umströmung von natriumgekühlten Auslaßventilen erreicht. Die untere und obere Zündgrenze von Wasserstoff liegen so weit auseinander, daß nahezu jedes Gemisch zündfähig ist. Damit ist es zwar möglich, einen Wasserstoffmotor wie einen Dieselmotor ohne Drosselklappe zu betreiben. Um aber die Zündgrenze anzuheben, bedarf es weiterer Maßnahmen. Wichtig ist, daß eine Absenkung der Temperatur des im Zylinder verbleibenden Abgases sowie der Kompressionsendtemperatur erreicht wird. Der bereits angesprochene Magerbetrieb, aber auch eine Abgasrückführung können u.a. dazu beitragen, weil bei weniger Kraftstoff pro Volumeneinheit die Verbrennungstemperatur niedriger liegt. Eine gängige Variante ist auch die Kühlung der angesaugten Luft bzw. des angesaugten Gemisches durch Wassereinspritzung oder durch die Vorbeiführung am tiefkalten Wasserstoff. N-1.3: Die Oktanzahl des Wasserstoffs liegt deutlich unter der von Normalbenzin, weswegen es leicht zu einem klopfendem Verhalten kommen kann. Zur Vermeidung sind Maßnahmen möglich wie z.B. das Absenken des Verdichtungsverhältnisses ?, weil mit kleinerem ? die Klopfgrenze angehoben wird. Es ist auch möglich, dies durch eine Abkühlung des angesaugten Gemisches zu erreichen, z.B. durch die Einspritzung von Wasser. Wegen der Klopfgefahr muß einem erhöhten Ventilsitzring- und Ventilverschleiß durch geeignete verschleißfeste Werkstoffe begegnet werden. N-1.4: Probleme bezüglich Kaltstart könnten mit einer Zündanlage, die folgende Forderungen erfüllt, gelöst werden: hohe Zündspannung bei Vollast, hohe Nebenschlußunempfindlichkeit beim Kaltstart, keine Induktion im Zündkabel durch benachbarte Zündkabel, rasches Abklingen der Restenergie im Zündkabel. Mit einem Hochspannungs-Kondensator-Zündsystem, abgeschirmten Zündkabeln und einer speziellen Zündkerze kann diese Forderungen erfüllt werden. Der Zündzeitpunkt wird hierbei über eine vollelektronische digitale Zündanlage gesteuert. N-2: Das schlechte Kraft-Volumen-Verhältnis entsteht durch die geringe Dichte von Wasserstoff, wodurch das Gas ein großes Volumen einnimmt. Dadurch werden - bei Zugabe des Wasserstoffs in das Saugrohr - rund ein Drittel der angesaugten Luftmenge verdrängt, was eine Reduzierung des Luftliefergrades zur Folge hat. Der volumetrische Prozentsatz von Wasserstoff in Luft liegt bei 29,5%, bei Benzin liegt er bei 1,8%. Zusammen mit dem ebenfalls geringeren Gemischheizwert (3240 kJ/m3) und der Volumenverkleinerung (Molschrumpfung) des Verbrennungsproduktes ist dies die wesentliche Ursache für die Leistungsminderung des Wasserstoffmotors bei äußerer Gemischbildung im Vergleich zum Benzinmotor. Generell läßt sich sagen, daß der Wirkungsgrad bei wasserstoffbetriebenen Verbrennungsmotoren besser ist als bei Benzinmotoren und Gasmotoren. Dies kommt zustande, da der Verbrennungsprozeß im Wasserstoffmotor aufgrund der hohen Brenngeschwindigkeit des knallgasähnlichen Wasserstoff/Luftgemischs dem thermodynamisch günstigen Gleichraumprozeß näher kommt als der Benzinmotor. Genauer gesagt liegen Zünd- und Diffusionsgeschwindigkeit des Wasserstoffs höher. Dadurch ist ein Motorwirkungsgrad von bis zu 40% möglich (Stand 1991). N-3: An den Kolben werden konstruktive und werkstoffseitige Maßnahmen, wie z.B. verschleißfeste Kolbenringe, erhöhte Schaftrauhigkeit, Graphitierung des Schafts usw., vorgenommen, mit der Zielsetzung eines besseren Ölfilmaufbaus und damit einer Verschleißminimierung. Eine anfänglich befürchtete Wasserstoff-Versprödung der Werkstoffe tritt nicht auf. N-4: Allgemeine Probleme bei der Nutzung von tiefkaltem Wasserstoff gibt es hinsichtlich der Materialien in der Brennkammer und dem Zuleitungssystem beim Einspritzen des Kraftstoffs (T = 20 K) sowie bei Verdichtern, die trotz der tiefen Temperaturen eine hohe Lebensdauer aufweisen müssen. Bei den bis hierher angestellten Betrachtungen war keine wesentliche Unterscheidung bezüglich flüssigem oder gasförmigem Wasserstoff notwendig, da in der Brennkammer immer ein gasförmiges Wasserstoff/Luftgemisch vorliegt. Lediglich bei Großmotoren ist es nicht auszuschließen, daß flüssiger Wasserstoff eingespritzt werden kann.

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