Der Bauernjörg - Feldherr im Bauernkrieg

Der Bauernjörg - Feldherr im Bauernkrieg

von: Peter Blickle

Verlag C.H.Beck, 2015

ISBN: 9783406675027

Sprache: Deutsch

590 Seiten, Download: 9644 KB

 
Format:  EPUB, PDF, auch als Online-Lesen

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Der Bauernjörg - Feldherr im Bauernkrieg



EINFÜHRUNG UND VORWORT


Der Bauernjörg ragt aus der Geschichte Oberschwabens heraus wie die Waldburg aus der Landschaft. Ein regionaler Held ist er nicht geblieben, er hat seinen Weg in die literarische Welt der Romane und die der geschichtswissenschaftlichen Handbücher gefunden, als Kurzform für jenen Feldherrn, der den Bauernkrieg zugunsten der Obrigkeiten entschieden hat – Georg Truchsess Freiherr zu Waldburg. An dem deutschen Revolutionsjahr 1525 haftet kaum ein Name fester als seiner, sieht man von Thomas Müntzer ab. Der Titel «Bauernjörg» bringt zum Ausdruck, dass hier keine Biografie vorgelegt wird. Der Untertitel «Feldherr im Bauernkrieg» festigt nochmals den Bezug zu diesem kriegerischen Ereignis, gibt aber seinem Helden Waldburg auch ein eigenes, wohl einmaliges Gepräge. Denn spätestens gegen Ende des Jahres 1525 hatte sich die Auffassung durchgesetzt, Georg von Waldburg habe mit der Niederwerfung der Bauern, die Zehntausende das Leben kostete, eine in jeder Hinsicht rühmenswerte Tat zur Sicherung der Reichsverfassung vollbracht. Kaiser Karl V. hat das in die Worte gekleidet, Georg Truchsess habe im Heiligen Römischen Reich Frieden und Recht, geistliche und weltliche Obrigkeit, Satzung und Ordnung wiederhergestellt.

Was und wer wurde niedergeworfen? Nach zweihundert Jahren intensiver Bauernkriegsforschung hat sich fortschreitend ein Bild dieser Revolution des gemeinen Mannes, wie sie heute verbreitet heißt, herausgebildet, das als konsensfähig gelten kann, was freilich abweichende Interpretationen im Detail und umfassend neue Deutungen in der Zukunft nicht ausschließt[1]. Gestritten wurde erstens für eine Art Verfassung, die Freiheit (anstelle von Leibeigenschaft), Pfarrerwahl durch die Gläubigen (anstelle der Einsetzung durch Obrigkeiten) und eine Grundausstattung der Gemeinden an Selbstverwaltung sichern sollte, zweitens für eine politische Repräsentation des Gemeinen Mannes in den Ständeversammlungen der Zeit (Landschaften) und drittens für eine Rechtsreform nach christlichen Normen (göttliches Recht). Die Reichsverfassung wurde durch dieses Programm nicht gekränkt.

Wer wollte, konnte im Frühjahr 1525 wissen, wogegen er antrat, wenn er gegen die Bauern in den Krieg zog. Die seit 500 Jahren geläufige Meistererzählung, die politischen Eliten aus Fürsten und Adel seien gegen mordende, Burgen stürmende und Klöster in Brand setzende Bauern eingeschritten, ist eine geschickt erzeugte und über Jahrhunderte gepflegte Legende. Der Stillstand genannte Nichtangriffspakt, der vor der ersten großen Schlacht am 4. April 1525 bestand, ist durch den Schwäbischen Bund, der diesen Krieg organisierte, gebrochen worden und nicht durch die Bauern. Jedenfalls kann man diese These so gut vertreten wie bislang das Gegenteil.

Um einen Krieg gegen Bauern zu eröffnen, bedurfte es einer Begründung. Sie wurde früh, schon um die Jahreswende 1524/25 durch Erzherzog Ferdinand von Österreich für seine Vorlande zunächst versuchsweise geliefert mit der Einschätzung, dabei handele es sich um eine Empörung im Range eines Landfriedensbruchs. Träfe das uneingeschränkt zu, wäre das kriegerische Vorgehen zur Sicherung der bestehenden Ordnung berechtigt gewesen, wo nicht, würde es sich um zehntausendfachen Mord an den eigenen Untertanen handeln.

Jörg Truchsess Freiherr zu Waldburg hat zu keiner Zeit Zweifel daran genährt, wo er stand. Sonst hätte er auch nicht der Oberste Feldhauptmann werden können, der einem über Jahrhunderte befestigten Urteil nach diesen Krieg entschieden hat. Daraus ergeben sich notwendige Weiterungen in der Behandlung des Themas.

Kontrahenten im Bauernkrieg waren, vereinfacht gesagt, auf der einen Seite die Bauern, auf der anderen der Adel. Georg von Waldburg hatte als Herr mehrerer oberschwäbischer Herrschaften einen dadurch bestimmten Blick auf Bauern, sein hoher Rang in der Adelsgesellschaft Süddeutschlands prägte sein alltägliches Leben. Das legt es nahe, beide sozialen Beziehungsnetze vor und nach dem Bauernkrieg zu prüfen. Über die Bauern hat er geherrscht, den Fürsten hat er gedient. Welche Einsichten, Erfahrungen, Urteile, Vorurteile, Ideologien sind daraus erwachsen? Haben sie seine Entscheidung, die Oberste Feldhauptmannschaft in diesem Krieg zu übernehmen, begünstigt oder die Kriegführung geprägt? Wie verändert sich ein Mensch, der Zehntausende tötet und töten lässt, eigene Untertanen, Bauern befreundeter Grafen und Fürsten, Bürger kleiner Landstädte und Weinbaugemeinden? Türmten sich danach Widerstände gegen ihn auf, eröffneten sich ihm neue, zuvor verschlossene Möglichkeiten?

Vorausgreifend ist als bemerkenswert hervorzuheben, dass sich Jörg Truchsess Freiherr zu Waldburg die Deutungshoheit über sein Leben nicht nehmen ließ. Dem verdankt man bislang unbekanntes Material, dessen Lektüre dem Bild Georgs von Waldburg weit über das bekannte hinaus Konturen verleiht und schließlich auch sein politisches Handeln verständlich macht. Nicht zuletzt wurzelt darin der Mythos Bauernjörg. Das sei hier nur angedeutet, weil es zu Fragen der Methode überleitet. Es sind drei.

Forschungsstand und Methoden


Erstens, nach Eröffnung der Kampfhandlungen werden die Bauern stumm. Das Bild vom Verlauf des Bauernkriegs wird geprägt durch die Sieger, selbst die neutralen Schweizer Chronisten schweigen. Welch verzerrtes Bild das ergeben konnte, belegt die sogenannte Weinsberger Tat von Ostern 1525, bei der von den Bauern mehr als ein Dutzend Adelige durch die Spieße gejagt und so ums Leben gebracht wurde. Es ist das einzige Ereignis, bei dem Menschen im gegnerischen Lager von Bauern getötet wurden. Zu diesem Zeitpunkt lagen schon rund 5000 tote Bauern in den Donauauen und im Wurzacher Ried. Der Adel hat diese Tat sofort propagandistisch ausgenützt, die Namen der Getöteten geradezu wie Litaneien verbreiten lassen, und zwar im ganzen Reich; selbst in einer Depesche an den Kaiser wurde Barbarei zum definitorischen Merkmal der Kriegführung der Bauern stilisiert. Weinsberg selbst wurde schließlich durch eine Brandwüstung ausgelöscht. Wohingegen eine umfassendere Kontextualisierung die Interpretation erlaubt, in Weinsberg habe nach einem rechtlichen Verfahren (Spießgericht), kriegsrechtlich möglicherweise gedeckt durch die Einnahme Weinsbergs im Sturm, die Tötung von Gegnern stattgefunden, deren Hauptmann, der Graf von Helfenstein, sein Amt als Vogt des Amtes Weinsberg grob missbraucht hatte. Zeugenverhöre – also für einmal keine rein obrigkeitliche Sicht auf die Ereignisse – dürften ein solches Urteil stützen.

Derartigen überlieferungsgeschichtlichen Schwierigkeiten gerecht zu werden, erfordert eine gewisse Breite in der Schilderung des Kriegsverlaufs. Auch die Darstellung ist ein Teil der Methode. Selten genug gibt der kritische Kommentar eines Hauptmanns des Heeres oder die Beschwerde einer Reichsstadt über Plünderungen ihrer Dörfer einen wirklichen Einblick in die Kriegführung. Neben den objektiven Daten sind die subjektiven Einschätzungen derjenigen, die in Form ihrer Berichte das Rohmaterial für diese objektiven Daten geliefert haben, für eine Urteilsbildung von gleichem Gewicht. Die zeitliche und örtliche Nähe zum Geschehen erlaubt Wahrheiten zu erkennen, auch wenn sie widersprüchlich sind, die der große Überblick des Historikers in seiner Abstraktion notwendigerweise vernachlässigt. Schließlich – die vorliegenden, oft sehr gerafften Arbeiten, zumeist lokal oder regional auf eine Schlacht beschränkt, haben den Kriegszug als Ganzen nicht im Blick.

Auch einer gewissen Lokalborniertheit ist die Breite der Darstellung geschuldet oder zu danken. Gedacht ist dabei an Leser, bei denen Namen wie Waldburg, Wolfegg oder Eglofs Bilder erzeugen, für die ein Schlachtfeld lebendig wird, weil sie die Topografie kennen, die noch wissen, dass sie Nachfahren der Freien auf Leutkircher Heide sind. Lokalborniertheit ist freilich auch, machen Historiker daraus eine Methode, ein Erkenntnismittel und firmiert dann als Landesgeschichte.

Das alles legt Zurückhaltung in den Abstraktionen und Mäßigung bei der Thesenbildung nahe. Das Erzählerische jeder Geschichtsschreibung gewinnt damit mehr Raum, zumal der Historiker trotz aller geschichtstheoretischen Beteuerungen weiß, dass er aus seiner Zeit nur wenig heraustreten kann und schon dadurch seiner hermeneutischen Professionalität Grenzen gesetzt sind.

Zweitens ergibt sich daraus, dass der Krieg selbst durch eine systemische Einkleidung verständlich gemacht werden soll. Dazu gehören zunächst scheinbar banale Dinge wie der Aufbau des Heeres, seine Zusammensetzung, seine Strategie, seine Ausrüstung, seine Finanzierung. Das ist nach zwei Seiten hin zu präzisieren. Die Kriegsakten des kollektiven Kriegsherrn, des Schwäbischen Bundes, spielen in den bisherigen Darstellungen zum Bauernkrieg keine Rolle, es ist kaum bekannt, wo sie liegen. Allein die genauen Zahlen über die Stärke des Heeres angeben zu können, bringt herkömmliche Interpretationen ins Rutschen. Niemand hat die Feldschreiberei (Kanzlei) des Obersten Feldhauptmanns als...

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